dove sei dank

der frühling naht.
noch liegt die welt zwar grösstenteils unter schnee begraben, aber h&m, miss sixty, esprit und andere grosse klamottengeschäfte hängen schon wieder ihre neue kollektion an die kleiderständer, so dass frau nichts anderes übrig bleibt, als sabbernd an der schaufensterscheibe zu kleben, sich die nase plattzudrücken und die heissen fetzen zu begutachten.
hauchdünne, zauberhafte kleidchen flüstern einem zu: "kauf mich, trag mich, mach mich zu deinem neuen samstagabend-ausgeh-superheldinnen-dress!" wenn da nicht die betonung auf "kleidchen" läge...
denn da fängt das eigentliche problem an: wie jeder weiss, sind die wintermonate in deutschen landen hart....schneeverwehungen, eisiger nordwind und tiefste minusgrade zwingen einen dazu, die entwürdigsten sachen aus dem schrank zu kramen, um diese dann nach dem zwiebelprinzip schicht für schicht übereinander anzuziehen. vorteil dieser winterkleidung ist, dass sie extrem dehnfähig und schlabberig ist und einen unterstützt, ja, geradezu einlädt sich zusätzlich zu den baumwollschichten eine präventive speckschicht anzulegen. winterspeck ist wichtig, um nicht zu sagen überlebensnotwendig:
jede frau, die nicht allerspätestens im november tafelweise schokolade zu ihrem zimt-roiboosh-tee vertilgt, ist mir suspekt. frau MUSS vorsorgen, frau MUSS ein paar kilo zulegen, will sie nicht im winter bitterlich eines grausamen kältetodes sterben.
nun stehe ich also mittlerweile IM h&m, konnte dem wispern, raunen und betteln der kleidchen nicht wiederstehen , nehme sie erfurchtsvoll vom bügel, um sie dann selbstzufrieden in die umkleidekabine zu entführen, wo meine wenigkeit mindestens 20 minuten braucht, um mich aus strickpullover, langem shirt, kurzen shirt, hemdchen, hose, wollstrumpfhose (wehe, hier zuckt jemand missbilligend mit der augenbraue: wollstrumpfhosen sind ein must-have, sie mögen unästethisch sein, dienen aber dem obengenannten üerlebenstraining in freier wildbahn) und schuhen zu pellen.
irgendwann hatte ich dann endlich das objekt der begierde über den kopf gezogen und stellte fest, dass das teil hauteng sitzt. hauteng mag auf den ersten blick perfekt sein...wenn da nur nicht das problem wäre, dass ich mich nicht mehr bewegen kann, ohne dass es in allen nähten kracht.
da stehe ich nun, schweissgebadet, panik macht sich breit, das anziehen war ein leichtes, aber auf einmal gibt es kein vor oder zurück mehr, ich stecke fest, gefangen in einem kleid von h&m in grösse 36. ich schimpfe mich als gnanlose, realitätsignorierende optimistin, fluche, dass ich nicht wenigstens eine freundin mitgenommen habe, die mich aus dieser unglimpflichen lage befreien kann.
während ich alle möglichen verrenkungen veranstaltete, die locker einem fakir oder david copperfield konkurrenz gemacht hätten, entdeckte ich nebenbei, quasi als unagenehmen nbeneffekt, in den grausam grossen spiegeln, die vor und neben mir hängen, dass das kleid sich beult und zwar nicht nur an den stellen, an denen beulen wünschenswert wären, sprich in höhe meiner brüste, sondern ebenfalls links und rechts über meinen hüftknochen, sowie an meinem bäuchlein, welches ich in den letzten monaten zärtlich mit schokolade, pasta, weihnachtsgans und anderen leckereien gepflegt habe. mein winterspeck avanciert auf einmal zur beulenpest, "meine fresse, ich BIN eine wandelnde beulenpest", schiesst es mir durch den kopf. eine pest, die sich mit grösse 36 gnadenlos verkalkuliert hat.
stunden später habe ich es geschafft, ohne weitere blessuren oder eingerissenen stoff, mich aus dem kleid zu befreien. verächtlich hänge ich es wieder zurück an seinen bügel, wo es von mir aus vergammeln kann oder eben von einem magersüchtigen klappergerüst erstanden wird.
zuhause angelangt, brauche ich ersteinmal ein paar trösteschokokekse und ein telefonat mit einer empathischen freundin, die ebenso wie ich den winter als natürlichen feind betrachtet, der mit einer zusätzlichen kalorienaufnahme bekämpft werden muss.
der frühling naht.
und mit ihm die flut der frauenzeitschriften, die tausende von diäten empfehlen, extra sportteile herausbringen, mit denen man in 10 tagen 3 kilogramm wegkämpfen kann. die verzweifelten anrufe in fitnesstudios häufen sich, in denen nach anmeldeformularen und bauch-beine-po-kursen geschluchzt wird. die ersten joggerinnen quälen sich durch wind und wetter, es wird gewalkt, gestrecht, gestöhnt, geächzt. wo im kühlschrank vor ein paar tagen noch dicke käsescheiben einträchtig neben schokoriegeln und pudding lagen, häufen sich aufeinmal rohkost, slimfast-dosen und stilles mineralwasser.
nicht mit mir!
seit gestern habe ich mein seelisches gleichgewicht zurückgewonnen, denn da kam besagte freundin zu besuch, die mir freudestrahlend einen artikel mitbrachte, der "scharfe kurven" propagierte....und eines musste ich erleichtert feststellen, die kurven hatten so gar nichts mit haut und knochen zu tun, sondern zeigten die drei deutschen models der kosmetikfirma dove. und siehe da, die drei schönen hatten wunderschöne bäuchlein, mit denen sie garantiert genauso festgesteckt hätten, wie ich an diesem unseligen nachmittag. auch der po hat in diesem fall seinen namen verdient, da er sich bestimmt in einer jeans deutlich abzeichnet und in einem kleidchen verführerisch wackeln wird.
schönheit hat in erster linie nämlich nichts mit makellosigkeit zu tun, sondern mit einer gesunden portion selbstbewusstsein und mal ehrlich, eigentlich stören mich die paar überflüssigen pfunde gar nicht, ich passe immernoch in die hosen vom vorjahr rein, sie mögen zwar an der einen oder anderen stelle etwas enger sitzen, aber eine zwangsdiät würde bei mir höchstens schlechte laune hervorrufen.
bald beginnt sowieso die erdbeerzeit, von denen ich mich ausschliesslich ernähren könnte und wenn es warm wird, bin ich sowieso wieder vermehrt draussen anzutreffen, ohne dass ich geschnürt mit einem pulsmesser und gepeinigt von atmennot mich quälen muss.
gerade wir frauen neigen zu dieser zwanghaften ambivalenz, in dem wir auf der einen seite auf die werbung und das idealbild der frau, welches dort meistenteils propagiert wird, schimpfen, uns aber andererseits über nichts anderes unterhalten können, als darüber, wie man "problemzonen" bekämpfen kann.
wie beruhigend ist es da, dass es firmen gibt, die einen gegentrend entwickeln, der zwar marketingtechnisch bei mir nicht anschlägt (ich glaube, ich habe noch nie ein produkt von dove gekauft), auf der anderen seite werbung endlich wieder sympathisch macht und zusätzlich dazu anregt, über sich nachzudenken.
2 tage, nach dem ich diese gedankengänge niederschrieb:
hurra, mittlerweile strahlen sie einem von jeder plakatwand entgegen, egal ob bushaltestelle oder littfasssäule...überall wohlgeformte rundungen, die die weiblichkeit betonen und einem auf geradezu liebevolle weise die eigenwahrnehmung zurechtrücken.
dove sei dank.
zuggermuddi - 27. Feb, 18:18
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MusikTheater (Gast) - 24. Feb, 17:26
So ist es!
Liebe Tess!
Ich bin mal ganz deiner Meinung und kenne das "Im-Winter-dauer-Schkolade-und-andre-leckereien-in-sich reinfress-Problem" natürlich auch. Ich finde auch es muss nicht immer jeder perfekt sein, es reicht doch, wenn man zufrieden mit sich ist.
Deine Birte
Ich bin mal ganz deiner Meinung und kenne das "Im-Winter-dauer-Schkolade-und-andre-leckereien-in-sich reinfress-Problem" natürlich auch. Ich finde auch es muss nicht immer jeder perfekt sein, es reicht doch, wenn man zufrieden mit sich ist.
Deine Birte
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