Sonntag, 29. Januar 2006

schlimmer finger

gestern beim hobeln der möhren für den salat passierte es:
der böse hobel verwechselte meinen daumen mit einer karotte und hobelte sich dreisterweise in meinen finger. blut spritzte, verteilte sich auf meinem küchenschrank und auch auf dem fussboden. das kleinste monster quiekte entsetzt: "mama, du bluteeeeest!", während ich still und leise kurz im badezimmer verschwand, mir ein kinderpflaster organisierte (mit einem elefanten drauf, wen es interessiert), den schnitt verarztete, die besudelte küchenablage reinigte und mir dann ungerührt die nächste geschälte möhre nahm, um diese in dünne scheiben zu verwandeln.

heute telefonierte ich mit dem liebsten, der gerade in der küche stand und geschirr abwusch. mitten im gespräch erschallten plötzlich unartikulierte schreie aus dem hörer, die mich, wenn ich nicht reflexartig den hörer einen halben meter von meinem ohr weggehalten hätte, mein gehör gekostet hätten, gepaart mit den unerhörtesten flüchen, bei denen sogar einem kesselflicker die ohren gewackelt hätten und ein katholischer pfarrer sicherlich nicht abgeneigt gewesen wäre, den liebsten zu exkommunizieren oder gleich einen exzorzisten vorbeizuschicken.
als ich mich besorgt danach erkundigte, was überhaupt geschehen sei, wurde ich unwirsch angebrüllt, dass er sich gerade in den finger geschnitten hätte... an einem zerbrochenen weinglas und somit quasi eine nahtoderfahrung erlebt hätte....und dass er mich zurückrufen würde, sobald er sich verarztet habe, falls er diesen schnitt überhaupt überleben würde, was nicht gewiss wäre, weil er bluten würde wie ein abgestochenes schwein.

ich legte ein wenig beleidigt auf, denn nicht ich hatte ein weinglas genommen, kräftig an einer tischkante zerschlagen, um ihm dann die finger oder schlimmeres abzuhacken (obwohl ich mich nach dem telefonat kurzzeitig in passender stimmung befand), also warum hatte er mich angeschrieen?

nach fünf minuten kam immernoch kein rückruf, so dass ich aufmerksam und sorgenvoll, wie ich nunmal bin, einen weiteren anruf tätigte, damit ich im notfall einen krankenwagen vorbeischicken konnte, der seinen finger gelagert in einer eisbox mit viel tatütata ins krankenhaus transportiert, während er daneben sitzt und ab und an tränenreich über die tiefkühlbox streichelt und seinem finger mutmachende worte zuflüstert.

nach dem zweiten klingeln war er aber schon am apparat und teilte mir mit, dass er ein pflaster gefunden und über den schnitt geklebt habe. na prima, dachte ich, happy end, finger noch dran, alles gut.

aber nein....nicht mit dem liebsten, der zur zweiten runde in seiner selbstmitleidstirade ansetzte:

es würde sososoooooooooooooo wehtun
(jammernder unterton)
er würde gleich sterben
(verzweifeltes röcheln)
bestimmt würde er verbluten, wenn er das pflaster wieder abnehmen würde
(angstvolles schluchzen)
aaaaaaaaaaah, es wäre so furchtbar, er wäre ein schwerstverletzter und dem tode knapp entronnen
(manische schreie)
und
es würde sososoooooooooo wehtun
(erneut jammmernder unterton)
und ob ich ihn den gar nicht trösten wolle?
(trauriges schniefen am anderen ende des hörers)

mir fehlten in dem moment die passenden worte, wahrscheinlich wäre es ihm sowieso am liebsten gewesen, wenn ich im krankenschwesterkostüm den rest des abwasches übernommen hätte, das essen gekocht, die küche aufgeräumt hätte, um mich danach zu ihm aufs sofa zu setzen und ihn gehörig zu... verarzten.
manchmal haben fernbeziehungen durchaus ihre vorteile, wie ich finde. wer weiss, wie lange der arme, gebeutelte mann diese ich-muss-sterben-nummer durchgezogen hätte, wenn wir uns eine wohnung teilen würden? männer haben, was das angeht, unendliches durchhaltevermögen.

wenn sie krank sind, sind sie grundsätzlich sterbenskrank, wenn sie verletzt sind, ist es IMMER eine fast tödliche geschichte.
sie liegen dann wie kleine käfer zappelnd auf dem rücken, in der erwartung streicheleinheiten zu empfangen gepaart mit der mitgebrachten lieblings-dvd aus der videothek oder sie starren leidend auf ihre partnerinnen, die sich bemühen, den gamecube zu installieren und danach in der küche verschwinden, um berge von appetitlichen genesungshäppchen zu kreieren.

so konnte ich das trostprogramm auf ein paar durchgeknallte synapsen in meinem kopf reduzieren, die ein wenig wirre lyrik erschaffen haben und komme hiermit meinem versprechen nach, welches ich am telefon gab, mich salbungsvoll dem troste seines fingers hinzugeben:





gar wunderbare trostworte für den finger

oh geschnitten
an tückischem glas
schmerz
über den der liebste das lächeln vergaß
schrie und wand sich vor qual
das erschrockene ohr seiner maid
ward ihm egal
blut, oh unseliges blut
über den geschundenen finger laufen tut
nichts mehr gut
nur noch pein
da half nur ein pflasterlein!

wäre ich dort
an diesem unseligen ort
küsste ich deinen finger sanft
damit der schmerze dich nicht verkrampft
oh holder geliebter
höre, was königinnenmutter sprach:
bis zur hochzeit
vergangen die schmach
bis zur ehe vergangen dein leid
hast ja noch ein paar jahre zeit

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