Dienstag, 20. Mai 2008

eine nachricht

sehr geehrter herr doktor watzenberg,

es erscheint mir ein wenig, nun sagen wir, ungewöhnlich, dass ich, als ihre mandantin, einen brief an sie richte, aber mir bleibt kein anderer ausweg, seitdem ich mich in dieser unsäglichen situation an diesem ort befinde, der es mir unmöglich macht, sie weiter telefonisch zu kontaktieren.

zumal sie in den letzten wochen augenscheinlich sehr beschäftigt waren, wie mir ihre sekretärin tagtäglich mitteilte. die dame erschien mir ein wenig ungehalten und ich frage mich durchaus, woher diese stimmung rührt, denn ich gehe davon aus, dass ihre angestellten bestens über diesen fall informiert sind, mit den einzelheiten vertraut und darüberhinaus wissen, dass mit der beauftragung durch sie, als meinen rechtsbeistand, ein nicht allzu geringes sümmchen auf ihr konto eingegangen ist, wenn man alle beratungsgebühren und verfasste anschreiben zusammenfasst.

darüberhinaus wurden sie von mir in kenntnis gesetzt, dass ich zusätzlich einen privatdedektiv beauftragt habe, um sie in ihrer arbeit zu unterstützen.

um genau zu sein, sind meine ersparnisse aufgebraucht und sogar mein dispositionskredit bis an seine grenzen ausgereizt, alles in allem hat mich diese fürchterliche geschichte mehrere tausend euro gekostet, bisher ohne erfolg.
vielleicht habe ich ein wenig überreagiert, als ich vorletzte woche stündlich ihre kanzlei via telefon frequentierte und einige unfreundliche sätze auf ihren anrufbeantworter sprach, nachdem ihre sekretärin nicht mehr bereit war, sich persönlich mit mir auseinanderzusetzen.
nun ja, wir alle haben unsere fehler und ich habe die letzten monate sehr unregelmäßig und unruhig geschlafen, manche nächte sogar vollkommen wach durchlebt, von sorge gepeinigt und nervosität getrieben.
um es kurz zu machen... das "geldgierige, inkompetente arschloch" nehme ich hiermit zurück und natürlich wünsche ich sie nicht dorthin, wo der pfeffer wächst, sondern wäre, ganz im gegenteil, sehr erfreut, wenn sie mich zu den vorgeschriebenen besuchszeiten mit ihrer anwesenheit beehren könnten, damit wir besprechen, wie wir weiter verfahren.

ich fürchte, dass sie aufgrund meiner jetzigen situation, dazu tendieren, meinem exmann zu glauben, der auf perfide art und weise dafür gesorgt hat, dass ich mich hier befinde, aber ich versichere ihnen, dass er, dieser skrupellose lügner, den ich einst liebte, nur dafür sorgen wollte, dass ich aus dem weg geschafft werde, damit niemand die wahrheit erfährt.

die ortsansässige presse steckt mit ihm unter einer decke, dessen bin ich mir sicher. vor 3 wochen traf ich mich in einem café mit einem redakteur, zeigte ihm die beweisfotos auf denen eindeutig zu erkennen war, dass mein mann ihn gestohlen hat. ja, er hat ihn gestohlen, das wissen sie, herr doktor watzenberg, genauso gut wie ich. der redakteur nahm mich nicht ernst, ich schätze, diese haltung wurde ihm durch hohe bestechungsgelder versüsst, so dass es ihm leichtfiel mit dem finger auf mich zu zeigen und mich auszulachen. aber eines sage ich ihnen, herr watzenberg, wer zuletzt lacht, lacht am besten.

...wenn ich nur nicht immer so müde wäre, die medikamente sind fluch und segen. die nächte, selig schlafend in watte eingepackt, vermitteln mir eine trügerische form von sicherheit. doch der blick am tag aus dem fenster, welches sich leider nicht öffnen lässt, auf den betonierten hof erinnert mich daran, was ich verlor, als mein exmann vor 15 monaten unser haus für immer verliess, um mit dieser... verzeihen sie den ausdruck, nun, um mit dieser...schlampe durchzubrennen. ich habe meinem exmann einiges in den letzten jahren verziehen, aber dass er mir das einzige wegnahm, was mir wirklich etwas bedeutet, hätte ich nie zu vermuten gewagt.

was hätten sie an meiner stelle getan? habe ich nicht das recht, wiederzuholen, was mir gehört?
ich war verzweifelt, herr doktor watzenberg, am ende meiner kraft und da sie als mein einziger vertrauter nicht zur verfügung standen, musste ich handeln.
stundenlang habe ich vor dem gartenzaun seines neuen häuschens im grünen gestanden, nachbarn befragt, spaziergänger angehalten, in der hoffnung, dass diese menschen mich unterstützen würden, den postboten abgefangen, damit er ihm mündliche nachrichten übermittelt. ich gebe zu, ich habe ab und an geschrien, mir ein paar mal die hände blutig geschlagen an der pforte, ach was... ein paar kratzer. dem notarzt, denn eine besorgte rentnerin vorbeischickte, habe ich ins gesicht gelacht. ein bürgersteig voll blut, lächerlich, solche kleinigkeiten können mich nicht daran hindern, mein recht durchzusetzen.

ich bin so müde, so müde....ich muss wach bleiben, die anderen dürfen keine kontrolle über mich haben. ich kneife mir immer wieder in den arm, öffne wunden, wach bleiben, wach bleiben, um jeden preis.
ich fühle mich so nackt, so schutzlos ohne ihn, mein exmann weiss das und hat ihn mitgenommen. wenn es einen gott gibt, herr doktor watzenberg und daran will ich fest glauben, dann wird er diese grausamkeiten vergelten, dessen bin ich mir sicher. und die rache wird mein sein für all die qualen, die ich hier auf erden noch erleiden muss. so müde, so müde.

mein teddy ....so müde...teddy...nachts, wenn ich die augen schliesse, sehe ich deine treuen, braunen glasaugen, sag' teddy, hast du es gut bei ihm?
kümmert er sich um dich? streichelt er sanft dein kuscheliges fell, so wie ich es immer getan habe?
....so müde, so müde...
...sie dürfen mich hier nicht einsperren...
ich kann nicht schlafen ohne dich...schlafen....schlafen....
schlafen.



dieser text entstand als beitrag zum "tresenlesen" in der dreizimmerwohnung/ hamburg zum thema "einbildung"

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sehr geehrter herr doktor watzenberg, es erscheint...
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