Freitag, 12. Oktober 2007

geschichten aus pädagogien

oh du goldene herbstzeit, vielbesungen, farbenpracht, blätterregen, kastanien, eicheln, kartoffelfeuer, erntezeit. rauhreif, der funkelnd im sonnenlicht in zarte tautropfen verzaubert wird, ein letztes aufbäumen des sommers, bevor sich die natur bereit macht für den winterschlaf.

ein ewiger reigen aus leben und sterben und wir kolleginnen aus pädagogien mittendrin. zweimal im jahr verlassen wir den luxus unserer fußbodenheizungverwöhnten kindertagesstätte und wandern für eine woche in den wald, komme, was da wolle, ob regen, sturm, frost oder zeckenplage.

und jedes jahr wieder überlege ich, ob ich nicht genau zu dieser zeit von einer schrecklichen krankheit heimgesucht werde, die genau fünf werktage andauert, um dann am darauffolgenden wochenende auf wundersame art und weise zu verschwinden. ich bin kein stubenhocker, ich bin wirklich gerne an der frischen luft, ich mag wälder und elbstrände, das meer, berge und mutter natur, wirklich! einzige voraussetzung ist die möglichkeit bei unabwägbaren widrigkeiten, die chance zu haben, in die eigenen vier wände zurückzuflüchten.

im sommer zelte ich sogar gerne, lebe in nachbarschaft mit gefräßigen waschbären, die das vorzelt nach essbaren durchwühlen, teile mein frühstück mit ameisen, schmeisse mich kreischend in eiskalte badeseen....kein problem, weiss ich doch, dass jeder campingplatz mit fliessend wasser, duschen, toiletten und einer imbißbude ausgestattet ist, an der ich meine sehnsucht nach zivilisation mit fritten und bier kompensieren kann.

und natürlich scheint im sommer die sonne, was einem mindestdurchschnittstemperaturen von 23°C garantiert und wenn nicht, auch kein drama, isomatten kann man notfalls im heimischen wohnzimmer ausrollen. das kann unter umständen ebenfalls sehr abenteuerlich sein, vorallem wenn man jemanden neben sich liegen hat, der schnacht wie räuber hotzenplotz nach einem saufgelage. hat ja irgendwie auch mit wald zu tun, wenn auch eher mit dem akustischen abholzen von bäumen, aber wir wollen ja nicht kleinlich sein.

kehren wir zurück zu unserem halbjährlichen event, welches uns nun zur herbstzeit in die tiefen des waldes zwang. schon am vergangenen wochenende kündigte der wetterbericht nachttemperaturen von 5°C an, was konsequenterweise heisst, dass es morgens um acht uhr nicht viel wärmer sein kann, wenn man sich durchs dickicht auf unsere traditionelle lichtung kämpft.
die ansonsten eher freudig-erregt-geprägte, typisch weibliche was-ziehe-ich-an-frage bekam einen bitteren beigeschmack, weil sie zwangsläufig mit dem "zwiebellook" assoziiert wurde. es ist mir schon fast peinlich an dieser stelle aufzuzählen, was ich mir alles anziehen musste, um nicht elendlich in den weiten der natur zu erfrieren: unter der jeans kämpften eine nylonstrumpfhose und eine dicke wollstrumpfhose um beinfreiheit, darüber wurden wollssocken gezogen, ein lammswollender nierenwärmer, das ganze gekrönt von einem paar gefütterter winterstiefel. ein unterhemd schmiegte sich bibbernd an ein langärmeliges oberteil, welches von einem strickpulli bedeckt wurde. darüber türmten sich in seliger zweisamkeit eine fleece- und eine regenjacke. mütze, schal und omas selbstgehäkelten fäustlinge komplettierten die überlebensausrüstung.

...dass ich in dieser aufmachung kaum in mein auto einsteigen konnte, geschweige denn in der lage war, vernünftig zu fahren, erkannte ich erst, als ich eingequetscht wie ein michelinmännchen hinter dem steuer sass und nur mit mühe und not meine vier gliedmaßen betätigen konnte, um an lenkrad und pedale zu gelangen. auch erntete ich irritierte bis mitleidige blicke von meinen nachbarn, die sich gehüllt in schicke herbstmode auf dem weg zur arbeit befanden, in der gewissheit nur eine kurze strecke mit ihrem gefährt zurücklegen zu müssen, bis ein warmer kaffee auf dem schreibtisch und ein beheiztes büro auf sie wartete.

eine viertelstunde später gelangte ich schweißgebadet aufgrund von wärmeanstauungen auf engstem raum und motorischer unzulänglichkeit und der daraus resultierenden panik, einen verkehrsunfall zu verursachen, bei dem ich mich noch nicht mal alleine aus dem auto retten könnte, auf den beschaulichen waldweg, der die grenze zwischen wildnis und zivilisation repräsentierte. ich liess mich wie eine dicke made aus dem fahrersitz kippen, als mir die unerbittliche kälte schon ins gesicht schlug.

bewaffnet mit einem rucksack vollgepackt mit einer liter-thermoskanne gefüllt mit kochend heissem tee, einer regenhose (die wirklich allerletzte maßnahme, um mit roher gewalt noch mehr kleidung über den schon vorhandenen kleiderberg zu zerren, falls ein eisiger regen das herbstwetter noch mehr verunstalten sollte) und diversen plastikhandwärmern stolperte ich wild mit den armen rudernd zum treffpunkt, wo schon einige eltern mit ihren kindern warteten und vermutlich nur raten konnten, welche der sechs tapferen erzieherinnen sich unter der wahnsinnigen verkleidung verbarg.

die gruppe der kleinen monster wurde in meine obhut übergeben und nun mussten wir einen fußmarsch durch unwegsames gelände hinter uns bringen, um zu besagter lichtung zu gelangen. neben dem kleiderberg und dem rucksack hielt ich zusätzlich zwei der kleineren kinder fest, damit sie nicht wie hänsel und gretel in der unendlichkeiten des herbstlichen waldes verschwinden konnten. wir stapften los und schon nach einer kurzen zeitspanne musste ich ungewollte erfahrungen damit sammeln, was für grausame konsequenzen der liebliche begriff "altweibersommer" mit sich bringt. vollkommen unvorbereitet und ahnungslos rannte ich mitten in ein riesiges spinnennetz, um genau zu sein ein kreuzspinnennetz, samt derem fetten mitbewohner, der stoisch auf eine kleine mücke oder fliege wartete und nun mit einem frühstück der überdimensionierten art überrascht wurde.
ich kreischte schlimmer als die frau unter der dusche bei "psycho" und war einem ohnmachtsanfall schrecklich nah. ich fuchtelte mit den armen herum, schlug wild um mich, um die klebrige masse samt des achtbeinigen korpus aus meinem gesicht zu entfernen, während viele kinderaugenpaare mich ungläubig beobachteten.

erste erkenntnis: der wald ist die hölle und der teufel steckt im detail in form von arachnoiden monstern, die mich fressen wollen!

endlich am bestimmungsort angelangt, hatte ich mich noch nicht ganz von meinem ersten waldtrauma erholt und überlegte, ob ich mir meinen rucksack einfach über den kopf ziehen sollte, als vorbeugende maßnahme gegen eine anhaltende hyperventilation und um nichts mehr von der herbstlichen natur um mich herum sehen zu müssen.

die kinder fingen an zu spielen, sammelten tannenzapfen, stöckchen, buddelten im waldboden, bauten tipis und ich? ich begann zu frieren, ein schleichender prozeß, erst kaum warnehmbar, an den füssen beginnend, dann immer offensichtlicher mit gänsehaut auf den beinen, am rücken und dann mit zaghaft klappernden zähnen.
aussentemperatur: 8°C,
gefühlte temperatur: allerhöchstens minus 25 °C.
ich zitterte und klapperte, jammerte und hopste auf der stelle, schlackerte mit den armen, wackelte mit den zehen...ohne großen erfolg. ich drohte am waldboden festzufrieren, ich würde elendlich als eisstatue auf einer lichtung enden.

es war allerhöchste zeit für eine professionelle innenaufwärmung mit dem inhalt meiner thermoskanne, ein höchste gefährliches unterfangen, bei dem man den input genauestens berechnen musste, um nicht in den teufelskreis des grauens zu gelangen.

nun stellt sich vielleicht die frage, was so kompliziert daran sein soll, sich eine kanne tee hinter die binde zu giessen?
rein in die tasse, einzweimal pusten, kopf in den nacken und fertig ist die laube...ha! man darf eine tatsache nicht unterschätzen! ich befand mich zu diesem zeitpunkt in einem unwegsamen wald. EINEM WALD.
klingelt es? und was ist in einem wald definitiv nicht vorhanden?
eine toilette, genau!
nur ein milliliter zu viel tee im magen konnte dazu führen, dass das empfindliche gleichgewicht zwischen input und output sich zugunsten des outputs verlagerte und die blasenmuskulatur alarm schlug.
es existieren wenige momente, in denen ich mir wünschte, ein kerl zu sein, die im-wald-kein-klo-situation ist einer dieser seltenen anwandlungen. die konsequenzen eines übermäßigen teegenusses führen bei uns meeedchen in der regel zu einem unwürdigen unterfangen, bei dem wir hilflos mit klamotten um unsere schienbeine gewickelt auf dem waldboden hocken und hoffen, dass während unserer verrichtungen keine insekten über unseren allerwertesten krabbeln und wir uns nicht aufgrund unserer immobilität auf die schuhe pinkeln.

doch das alleine wäre noch harmlos, wenn da nicht der teufelskreis des grauens wäre, der in einer endlosen spirale mündet, sobald man das erste mal hinter den büschen verschwindet, um sich zu erleichern. in meinem fall spielte nicht nur der faktor "wald" eine große rolle, nein, dieser wurde von einem zweiten faktor maßgeblich beeinflusst und dieser lautete "kälte", unerbittliche, grausame, stechende kälte.

fortuna hatte mich im stich gelassen, meine schätzungen der teezufuhr blieben unzulänglich und während ich nun kurzzeitig innerlich aufgewärmt die beine zusammenkniff, kicherte fortuna hämisch vor sich hin, während sie kuschelig in einer wolldecke eingehüllt vorm ofen sass und bratäpfel futterte.

zweite erkenntnis: fortuna lässt sich nicht so leicht hinterm ofen hervorlocken.

ich verschwand fluchend im gestrüpp und eröffnete so neben dem natürliche reigen der jahreszeiten, einen weiteren reigen: den teufelskreis des grauens.
ich spare mir an dieser stelle die erneute aufzählung aller kleidungsstücke, die mich umhüllten, die nun im weg waren und mehr oder minder entfernt werden mussten, um erneut auf den zweiten faktor hinzuweisen, der aus dieser unseligen geschichte einen teufelskreis machte: kälte, unerbittliche, grausame, stechende kälte (ja, ich weiss, dies erwähnte ich schon, aber ich versuche hier nur klarzumachen, wie hochdramatisch die ereignisse sich zuspitzten).
gerade aufgetaut und wohlig durchwärmt, fror ich mir nun den wortwörtlichen arsch ab, als strafe dafür, zu tief in den teebecher geblickt zu haben.
erleichtert, aber bitterlich frierend, war ich nun wieder auf die thermoskanne angewiesen, deren inhalt mich wiederum zwang in den büschen zu verschwinden, aus denen ich zitternd zurückkehrte, um erneut heissen tee zu trinken, dessen konsum dazu führte, dass ich wieder in das dickicht stapfte...und so weiter und so fort...

dritte erkenntnis: das mathematische verhältnis von input in bezug auf output gemessen an der anzahl der zwiebelschichten im verhältnis zum faktor "kälte" und "wald" zugunsten der anzahl der zwiebelschichten verlagern, um input zu verringern und die gefahr des outputs auszuschliessen.

auf diese art und weise kann man hervorragend einen vierstündigen vormittag herumbekommen, ich verfiel fast in einen tranceartigen zustand zwischen frieren, aufwärmen, einfüllen, herauslassen....unterbrochen wurde dieser kreis nur kurz, als ich entdeckte, dass ich einer armen nacktschnecke auf den kopf gepinkelt hatte, dies war quasi der spannende höhepunkt meines tages.
die kolleginnen mutmaßten, ob schnecken auf diese art und weise osmotischen prozessen ausgeliefert wären. ich wusste es nicht, wollte nur noch nach hause, wo ich niemandem auf den kopf mache und mir auch keinen kopf um solche fragen machen muss.

um die mittagszeit stolperte ich dann zum auto und schwor, dass ich nächsten herbst eine grippe habe oder noch besser;

letzte erkenntnis: eine blasenentzündung!

Dienstag, 21. November 2006

I still have last night in my body, i wish you were with me

das chaos eines kleinen märchens namens leben
hat auch meinen telefonhörer nicht verschont
flatternde prinzessin kristaller
mit plastiktüte auf dem kopf
die selbst einer katastrophe gleichend selbiger
atemlose aufregung ins ohr monologisierte
während farbpigmente unauslöschbar
das graue plastikeinerlei in rote glückseligkeit verwandelten
nun lächeln mahagonifarbene erinnerungen
flüstern, dass aix en provence ein katzensprung wäre
wenn das leben so süss wie himbeergötterspeise ist.

Dienstag, 24. Oktober 2006

jenseits der kaff-elegien/ fragment aus beton

sie wohnen dicht an dicht, aber spenden sich keine wärme, getrennt durch graue mauern.
keiner weiss, wer neben ihm wohnt, man trifft sich täglich auf dem flur, senkt den blick und starrt woanders hin.
graue blicke.

die wände sind dünn.

das namenlose atmet, schlägt die zeit tot, bringt die tage herum, klappert mit dem geschirr, hustet aufgrund der 20. zigarette an diesem morgen, ist fast greifbar.
sie alle wissen dinge voneinander, die kein mensch hören will, aber hören muss.

wände wie papier.

das leise weinen der frau, die immer eine sonnenbrille trägt, selbst wenn der himmel grau und wolkenverhangen ist, mit der man die geschwollene wange nicht abdecken kann. das junge ehepaar von unten, die erst leise und nach der dritten flasche wein immer lauter streiten, schreien, sich beschimpfen. zerbrochenes glas und zerbrochenes glück.
der unmenschlich laute ton des fernsehers, der die vier kleinen kinder aus dem fünften stock mit mord und totschlag unterhält, sobald sie aus der schule heimkehren und der ihre einsamkeit, die langeweile und den frust bis in die späten abenstunden übertönt, wenn die mutter müde und zerschlagen mit ein paar fettigen tüten abendbrot von ihrem job am bahnhofsimbiss nach hause kehrt.
der alte mann, der seemanslieder gröhlt und sein fernweh mit einer palette dosenbier und korn kompensiert und eingerollt auf der fussmatte vor seiner haustür einschläft, wo ihn ab und an die jugendlichen treten. höhnische blicke.

jeder neue morgen zerstört die sehnsucht, die träume der nacht mit dem lauten klappern der mülltonnen, in denen die frau mit dem kopftuch nach pfandflaschen wühlt.

der fahrstuhl ist defekt oder stinkt nach urin, manchmal hat jemand reingekotzt, dann geht man doch lieber zufuss.

das einzige grün in der gegend sind die rotzigen auswürfe auf dem asphalt und ein paar grashalme, die zwischen den gehwegplatten überlebt haben.

manche hatten träume, wollten fliegen.
haben es irgendwann getan,
aus dem zehnten stock.

jetzt kann man die fenster in den letzten vier stockwerken nicht mehr öffnen.









der vorherige und dieser beitrag wurden im rahmen eines blog-swaps schon einmal vor ca. einem jahr im dreggsblog veröffentlicht. nun archiviere ich sie nochmal hier als heimspiel

kaff-elegien/ fragment

...der rasen im vorgarten hat eine länge von vier millimetern, die kanten haben einen rechten winkel, kinder hat man gern, solange sie nicht das heilige grün betreten. das ist reserviert für die zwergenparade, die stoisch in einem grotesken bild der emsigen, unermüdlichen arbeit eingefroren ist. für das kleine hundehäufchen vom kleinen dackel franzl liegt immer ein kleines tütchen bereit.

fremden wird mit misstrauen begegnet, denn nichts soll die gleichmässigkeit, die eintönigkeit, den alltag, die immer wiederkehrenden jahreszeiten und die damit verbundenen riten und gebräuche stören. fremdsein bedeutet einsamkeit und kalte blicke, bis man gelernt hat, die tänze zu tanzen. zwei schritte vor und fünf zurück.

der kommunalpolitische höhepunkt des jahres findet im ehelichen bürgermeister-bett statt, wenn die gemahlin schweissgebadet und zähnefletschend oben liegt, anstatt wie ein plattgefahrener käfer auf dem rücken zu liegen und die muster der blümchentapete zu zählen, während das bett, bemalt im klassischen bauernmuster, ächzt und quietscht unter der adipösen last. denn auf dem wahlzettel existiert nur ein richtiges kreuz, alle anderen hängen in den klassenzimmern, in wohnzimmern und in der kirche.

jugendliche rebellion bedeutet hier in nachbars garten zu kotzen, nachdem man mit 2,0 promille, dank korn mit sprite, rum mit cola, hauptsache irgendeinem fusel mit blubber darin, aus der dorfdisco rausgetorkelt ist, in der jeder schon mit jedem geknutscht hat und der- oder diejenige geheiratet wird, der grad zufällig mit einem knutschte, als man den 21. geburtstag erreichte und es langsam zeit wurde.
die männer lieben ihre ehefrauen, das gibt ihnen das recht, ihnen notfalls mit der flachen hand oder der geballten faust den richtigen weg zu weisen.

die friseurin weiss von der bäckersfrau, dass der schlachtermeister dem mechaniker erzählt hat, dass die frau meier von nebenan von frau müller erfahren hat, dass der dorfarzt der cousine vom guschtl, der im kleinwarenladen arbeitet, gesagt hat, dass die resi, die in der gastwirtschaft bedient schon immer was vom huber-bauern wollte. na, sie wissen schon...und deswegen immer diese engen blusen anzieht, wenn sonntags stammtisch ist und der huber-bauer eine rote nase bekommt, weil er sein fünftes maß erhebt.
sie wissen alles und doch nichts.
sie reden, um zu reden.

sonntags mahnen die glocken zum gebet, wer in den reihen fehlt, ist krank oder zu gebrechlich, um buße zu tun und die heilige kommunion zu empfangen, eine andere entschuldigung existiert nicht.
wenn ER seine schäfchen ruft, trotten sie blökend der reihe nach in SEIN haus, um sich die kniee an den splittern in der bank wundzuscheuern.
die heftchen des priesters mit nackten, jungen damen aus litauen oder polen bleiben an diesem tag in der schublade im pfarrhaus, anstattdessen wird die bibel ausgepackt. sie beten und weilen in gedanken schon beim sonntagsbraten, der bald auf dem tisch steht.
heilig ist die scheinheiligkeit.
...

Donnerstag, 19. Oktober 2006

gute-nacht-geschichte für g.

vor langer zeit, keine menschenseele erinnert sich an diese tage, lebten die vögel wohlbehütet in einer grossen felsspalte etliche meter über dem meeresspiegel. von der sonne geweckt, vom mondenlicht in den schlaf gebracht, verstrich ein tag wie der andere in eintönigkeit und gleichmäßigkeit. die felsspalte war weitläufig und bot genug platz, um die brut grosszuziehen, nahrung und wasser waren vorhanden und die vögel waren zufrieden mit ihrem los, in den tag hineinzuleben.

zu jener zeit war den vögeln nicht bekannt, dass sie die gabe besitzen, zu fliegen. sie benutzten lediglich ihre zwei beine, um nahrung für die brut heranzuschaffen und ihresgleichen in anderen ecken der felsspalte zu besuchen. ihr gefieder war weich, glänzend, mal mehr, mal weniger bunt. sie pflegten es mit hingabe, weil es ihnen wärme und schutz in manch kalter winternacht brachte.

zu dieser zeit lebte eine vogelfrau mit rotem gefieder und lustigen punkten, die mutiger war als alle anderen vögel. dieser vogel hatte irgendwann zwei eier gelegt, aus denen farbenfrohe, bunte vogelmädchen heranwuchsen. nicht immer war es üblich, dass eine vogelmutter den passenden partner hatte und wenngleich die meisten vogeleltern als paare ihre brut heranzogen, war es nicht ungewöhnlich, wenn es mitstreiter unter ihnen gab, die ihre kinder alleine heranzogen. die vogelgemeinschaft war sogar gewillt, die fittiche zu spreizen und ab und an fremde vogelkinder unter diese zu nehmen, wenn die vogelmütter sich auf die suche nach futter für ihre brut begaben.

die rotgefiederte vogelmutter gelangte irgendwann an einem freundlichen, sonnigen frühlingstag auf ihrer suche nach nahrung an den äussersten rand der felsspalte, wo ein ziemlich kecker wurm auf der flucht vor ihrem spitzen schnabel hingekrochen war und auf einmal stellte die vogelfrau fest, dass hier das ende des felspalteaus erreicht war. sie kniff ungläubig die augen zusammen, denn unter ihr lag das meer... weit... gross...in tausenden und abertausenden von blautönen...unendlich....es glitzerte geheimnisvoll...rauschte und wisperte und sprach zu ihrem herzen. es erzählte von fernen ländern, an deren ufern seine wellen rollten...beschrieb flüsse, die in seine unendlichkeit mündeten...sang von wäldern und tälern, die das wasser aufnahmen, welches das meer der sonne schenkte.

eine unerklärliche sehnsucht machte sich in dem herzen der vogelfrau breit und wie von selbst streckte sie ihre flügel aus, in die der wind zärtlich hineinfuhr, als ob er ihr einen kleinen anstoss geben wollte. für einen kurzen augenblick verlor sie den boden unter den füssen, erlangte sie eine leichtigkeit, die mit nichts zu vergleichen war, was sie bis dahin gespürt hatte...wie gerne hätte sie sich einfach fallen lassen, als auf einmal ein empörter aufschrei sie zurück auf den felsigen boden der tatsachen zurückholte.
hinter der vogelfrau hatten sich mehrere andere vogelmütter versammelt, die entsetzt auf die ausgebreiteten flügel starrten, die sich leise wieder an den pulsierenden körper der vogelfrau anschmiegten.
mahnende blicke ruhten auf ihr, ein leises kopfschütteln demonstrierte ihr, dass eine felsspalte, nahrung und wasser, weggefährten und ein gemachtes nest genug seien. sie solle an ihrer vogelkinder denken und daran, dass man tief fallen könne, wenn man sich zu nahe an den rand des felsplateaus wagen würde...federn seien zum putzen da, federn seien ein garant für wärme und vielleicht ein attraktiver schmuck auf der suche nach dem nächsten vogelmann und damit solle sie sich zufrieden geben. alles andere wären träumereien, ein gefährliches unterfangen, sinnlos, unverantwortlich und mit einer ungewissheit verbunden, die nichts als unglück bringen würde.

die tage verstrichen und die vogelfrau fügte sich ihrem vermeintlichen schicksal, ihr restliches leben in der eintönigkeit des alltages zu verbringen, wäre da nicht die stimme in ihrem herzen gewesen, die vom meer, dem wind und der sonne sprach und sie in vielen mondhellen nächten wieder und immer wieder an den rand trieb, wo sich tief unter ihr die wellen an den felsen brachen...sie spürte, dass irgendetwas in ihr wuchs, das grösser und grösser wurde, das eine unbändige lust in ihr entfachte, die gelebt und geliebt werden wollte.

und die stimme sagte: spring! breite deine flügel aus, vertraue dem wind, der dich tragen wird....

irgendwann war diese sehnsucht so ungebändigt, so entfesselt, dass kein wenn und kein aber, keine erfahrungswerte der anderen vögel, keine bedenken, keine zweifel sie mehr zurückhielten.
erst zaghaft, dann immer bestimmter überliess sie ihre flügel dem wind, spürte die kraft, die sich ihrem gefieder annahm...liess los, liess sich fallen und
...flog.

das fliegen war einfach, war selbstverständlich, eine gabe, die seit urzeiten in ihr steckte und nur darauf gewartet hatte, gefunden zu werden...
nichts würde sie mehr halten können auf ihrem weg in die sonne, der unentdeckt vor ihr lag.




vogel1

Mittwoch, 28. Juni 2006

no regrets

tell me a story, where we all change and we'd live our lifes together and not enstranged. es hatte nicht geregnet, der tag verlor nicht seine farbe, die zeit stand nicht still, die bäume verloren nicht die blätter, als er ging.

das kind sass auf ihrer hüfte, nuckelte am daumen, in der faust einen schokoriegel, nicht zartbitter wie ihre gefühle, sondern unendlich süss. zu klein, um zu begreifen, kinderkummer resultierend aus ihren tränen schokoladengestillt. sie hatte es gewusst, immer gewusst, in schlaflosen nächten, in denen er nicht nach hause kam, an schweigenden morgen, an denen sich der schlüssel im schloss drehte und der duft fremder haut den kaffeeduft am frühstückstisch übertönte. die zeitung vor seinem gesicht, eine undurchdringliche mauer, sparsame blicke auf das kakaoverschmierte runde kindergesicht.

die blumen blühten weiter, der postbote pfiff ein lied auf seinem fahrrad, als er winkend an ihr vorüberfuhr, ihr gesicht unbeweglich, das kind warm auf ihrem arm.
sie würde die kraft finden, die sie jahrelang nicht wahrhaben wollte, gleich würden ihre beine ihr gehorchen, umdrehen, gehen, weitergehen, schritt für schritt, weiteratmen, aufatmen, die tür schliessen, für immer.

no regrets. wenn es nicht so tragisch wäre, wäre es zum lachen, ein hysterisches kichern bahnte sich seinen weg aus ihrem mund, erschrak sich vor der lautstarken courage und verschwand in der lauen sommerbrise.
no regrets, they don't work, they only hurt. der schmerz war irgendwann ein dumpfer begleiter, stumm, anklagend, wenn abends die uhr unerbittlich tickte und die sorgsam gemachte betthälfte verwaiste.
die offenbarung von freiheit reusultierte nicht aus erhobenen zeigefingern, zusammgezogenen augenbrauen, mitleidigen blicken und geschüttelten köpfen im freundeskreis. jeder ratschlag, jegliche ratio prallte ab an ihrer mauer aus duldsamkeit, aus ihrer hoffnung, dass liebe ein geschenk sei, das man nicht wegwerfen dürfe, auch wenn die definition dieser eine selbstzerstörerische war.
die offenbarung von freiheit war ein lied, gesungen aus tausenden von kehlen. i don't want to hate but that's all you've left me with, a bitter aftertaste and a fantasy of
how we all could live. ein geschenk, das er ihr machte, ein unscheinbarer briefumschlag unter dem kugelgeschmückten tannenbaum, erwartungsvolle blicke seiner eltern, die das kleine auf dem schoss hielten. felt things were going wrong, when you didn't like my mother. oh du fröhliche weihnachtszeit. das fest der liebe, seine liebe verpackt in einem briefumschlag. nur eine karte. eine einzige. der babysitter sei organisiert, er selbst habe leider einen unaufschiebbaren geschäftstermin.
er hatte sich freigekauft mit einem konzert, mit einem sänger, den sie nur aus dem radio kannte. sein alibi war unnötig, die maske nur gewahrt für einen heiligen abend, an dem sein präsent eine gerissene doppelfunktion übernahm. you didn't have the time, so I softly slip away.

die kalte jahreszeit verging, die einsamkeit blieb, die tränen, die angst, die hoffnung. das kleine schlief eingerollt im kinderbett, das geld für das nette nachbarmädchen, zu jung, um eine potentielle gefahr sein zu können, lag auf der ablage im flur. morgens bahnte sich ein viel-spass-heute-abend durch die zeitungsmauer, das sich lobend auf die eigene schulter hätte klopfen können.

sie spürte sich zum ersten mal seit jahren, spürte ihr gewaltiges sein inmitten einer wogenden masse. ihre arme, beine schultern, verschwitzt, sich an fremden körpern reibend. tausend stimmen, die zu einer verschmolzen, zu ihrer stimme, die jahrelang geschwiegen hatte, gefangen in familiärer zuckerwatte aus gespielter glückseligkeit. und schrie und sang, bahnte sich einen weg in die freiheit, in der viele wege existierten, wenn sie endlich den aufbruch wagte. no regrets, they don't work. schrie und sang. glückstaumelig, verheissungsvoll.

es war schon spät, als sie nach hause kam, die grossen reisekoffer aus dem keller holte, sich nicht die mühe machte, kleidung ordentlich zusammenzulegen, alles hineinstopfte, den nacken steif vom tanzen, den hals wund vom singen, die gemeinsamen fotos verbrannte und nichts spürte beim erinnern an vergangene momente, kein bedauern, nur eine leise wut, die mehr mit ihr als mit ihm zu tun hatte. often I sit down and think of you for a while, then it passes by me and I think of someone else instead.

ein handgeschriebener zettel auf seinen koffern, die geduldig auf seine heimkehr, wo kein heim mehr war für ihn, warteten. sie würde nie wieder warten müssen: i guess the love we once had is officially dead.





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